Es gab eine Zeit, die uns allen seltsam war,
erschreckend und ungestüm,
fordernd und unberechenbar,
in der wir alle auf Abstand gingen,
von Zahlen hörten, die höher stiegen.
Eine Zeit,
in der wir auf das verzichteten,
was wir so liebten
und Dinge taten, die uns störten,
für Dinge, die uns wertvoll waren.
Es gab eine Zeit,
in der wir rangen um Wege durch etwas Unbekanntes.
Eine Zeit, in der wir auf Wahrheit lauschten,
uns an Meinungen klammerten aus all den vielen Stimmen,
um gegen den Strom oder mit ihm zu schwimmen.
Eine Zeit,
in der wir um den Alltag rangen und balancierten,
für das, was uns wertvoll war Freiheit einbüßten
oder dafür demonstrierten.
Eine Zeit, in der wir ungesehenes Leid erlebten oder erahnten,
um Existenzen kämpften
und an manche Grenze kamen.
Es gab diese Zeit.
Und jetzt
sind wir mitten darin.
Ich zähl ihre Tage
und weiß nicht wohin, bis wann…
Doch bis dahin
will ich verstehen, was mir fehlt,
beschreiben, was zählt und was ich eigentlich so vermisse,
damit nur eins nicht passiert:
dass ich es wieder vergesse,
was so normal war,
was zählt,
was für mich Leben heißt
und was mir heute so fehlt.
Was mir fehlt:
In Gesichter zu schauen,
in diese unverwechselbaren Lebensspuren
in Lachfalten, Grübchen und Konturen.
Diesen einen Schritt auf dich zu zu gehen
und zu sehen,
wie sehr es doch einen Unterschied macht,
etwas von dir zu riechen,
dir eine Hand zu reichen,
eine Schulter zu leihen,
dir aus der Nähe zu begegnen,
dich mit Händen zu segnen.
Und mir einzugestehen,
wie wichtig es ist - selbst wenn es nur manchmal geschieht -
dass es doch möglich ist,
dich oder mich in den Arm zu nehmen.
Was mir fehlt:
Im Vorübergehen an hundert Fremden
ein Lächeln aufzufangen,
über Grenzen fahren,
in Ferne schweifen,
ein unbefangenes Stehen an Warteschlangen.
Was mir fehlt:
Das Sitzen an einem Tisch
in einem lieb gewonnenen Raum,
der mich in seine Bilder und Orte entführt,
mich mit Düften erfüllt
von Kaffeenoten und Köstlichkeiten
und umgibt mit fremden Menschen,
die mir nicht fremd erscheinen,
von lauten Stimmen, die Geschichten erzählen,
die Zeit genießen mit jemandem,
ohne die Stunden zu zählen.
Was ich nicht vergessen will:
dass Musik eine Kraft besitzt
und dass das gesungene Wort
so viel kraftvoller ist
als das gesprochene
und so viel kraftvoller
das gesungene Wort
an einem Ort
gemeinsam zu erheben.
Ich will nicht vergessen,
wie sehr ich es jetzt vermisse,
das wieder zu erleben.
Wie wertvoll, zu wissen:
wir sind ein Gesamt
und wenn wir auf Abstand gehen müssen,
dann werden wir uns vermissen.
Und wie wertvoll:
die Menschen,
die mir am nächsten stehen,
in den Arm zu nehmen,
noch enger zusammen zu rücken
und es zu wagen,
uns durch diese Zeiten zu tragen.
Was ich nicht vergessen will:
Wenn alles in Frage steht,
was geschieht, was kommt und was bleibt,
dann hab ich erlebt:
Du bleibst.
Da ist noch mehr als ein Klammern
an einem Leben im Zeitabschnitt “Erde”,
da ist mehr als ein Fürchten um das,
was ja doch irgendwann geht.
Da ist eine Hoffnung,
die lebt,
die einen Namen hat,
den Gott in eine Krippe legt
und damit zwischen Mensch und Gott
jede Distanz aufhebt.
Da ist ein Gott,
der mich trägt,
so real und so nah
und der niemals auf Abstand geht.
Es gab eine Zeit
und wir sind
mitten darin.
Eine Zeit wie keine andre:
die wir wohl erst im Rückblick erkennen,
erst übermorgen richtig benennen.
Gewiss aber eine Zeit,
in der wir wussten, was fehlt
und dem, was uns wirklich wertvoll ist,
auf die Spuren kamen.
Vielleicht eine Zeit, wie andre davor:
die so gingen, wie sie auch kamen.
Vielleicht auch eine, die Spuren hinterlässt,
nicht alles so lässt, wie es ist.
Es gab eine Zeit.
Lasst uns all das Wertvolle
erinnern, umarmen
um es dann
in neue Zeiten zu tragen.
Monika Lusky
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